Vielfalt statt Einfalt: Leipziger bieten Mitfahrgelegenheit auf CSD-Truck
von Simone Liss | 15.06.2023
von Leipziger Leben | 30.05.2022
Let’s celebrate diversity: Der Deutsche Diversity-Tag feiert am 31. Mai zehn Jahre erfolgreiche Netzwerkarbeit.
Die Mitglieder des Netzwerks und Unterzeichner der Charta der Vielfalt zeigen heute mit kreativen Aktionen Flagge für Vielfalt – darunter die Leipziger Gruppe. Im November 2021 hatte der kommunale Unternehmensverbund die Charta der Vielfalt unterzeichnet. Was die Charta eigentlich ist und was Chancengleichheit für sie persönlich und die Leipziger Gruppe bedeutet, haben die Chancengleichheitsbeauftragte der Leipziger Gruppe, Doreen Rödel, sowie der Geschäftsführer und Arbeitsdirektor der Leipziger Gruppe, Michael M. Theis unserer Autorin Verena Ott erklärt.
Michael M. Theis und Doreen Rödel
Doreen Rödel und Michael M. Theis sitzen in einem Besprechungsraum im Hauptgebäude der Leipziger Wasserwerke in der Johannisgasse. Hinter ihnen künstlerisch inszenierte Fotos von Beschäftigen bei der Arbeit – bei der Reinigung eines Wasserturms und in den hundert Jahre alten Wasserspeichern in Probstheida. „Wie würden Sie Ihrer Belegschaft erklären, was es mit der Charta der Vielfalt auf sich hat?“
Für Michael M. Theis ist die Charta „eine öffentlich kommunizierte Selbstverpflichtung. Das ist praktisch nichts anderes als die Menschenrechte, nochmal aufgeschrieben.“ Dadurch werde das Thema Vielfalt und Chancengleichheit noch mehr in den Fokus genommen. „Wenn man sich über eine Charta verpflichtet, gibt das nochmal ein ganz anderes Bewusstsein – und man lebt das bewusster oder diskutiert darüber.“ Er betont, dass Selbstverpflichtung aber auch heißt, dass man sich daran messen lassen muss.
Die Charta der Vielfalt ist eine 2006 ins Leben gerufene Selbstverpflichtung und ein Verein, der sich für ein vorurteilsarmes Arbeitsumfeld und Chancengleichheit für ihre Beschäftigen einsetzt. Mit dem Beitritt ist die Leipziger Gruppe in bester Gesellschaft: Mehr als 4.500 Unternehmen und Organisationen in ganz Deutschland sind bereits beigetreten und bilden ein Netzwerk. Bisher sind rund 30 Unternehmen der kommunalen Daseinsvorsorge dort gelistet. Neben der Stadt Leipzig selbst gibt es noch 23 weitere Arbeitgeber, die die Charta unterzeichnet haben und für die damit verbundenen Werte öffentlich einstehen.
Ist das Thema Vielfalt und Chancengleichheit ganz neu? „Nein“, so Doreen Rödel, „denn alles, was schon seit Jahren zu Familienfreundlichkeit, Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben und auch Inklusion in der Leipziger Gruppe gemacht wird, fördert das Thema.“ Das unter dem Stichwort Diversity – Englisch für Vielfalt/Diversität – zu fassen, ist etwas Neues, irgendwie auch ein bisschen „neumodisch“.
In den vergangenen drei Jahren hat sich dennoch einiges verändert: Es gibt jetzt konkrete Ansprechpersonen und mehr betriebliche Festlegungen dazu. Das Thema soll weiterentwickelt werden. Neue und bestehende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können sich darauf einstellen, dass sich die Leipziger Gruppe auch in den kommenden Jahren in diese Richtung entwickeln wird. Für Doreen Rödel ist der Beitritt zur Charta auch mit einem Motivationsschub verbunden: „Wir wollen das Bekenntnis mit konkretem Handeln untersetzen. Denn: Wir sind gut, aber wir sollten noch besser werden.“
Das Thema Chancengleichheit hat viele Facetten, die täglich mit Leben gefüllt werden. Es gibt keinen Bereich im Unternehmen, der nicht einen Bezug zu Chancengleichheit hat. Überall, wo Menschen zusammenleben und -arbeiten, geht es auch um Vielfalt, Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Dabei hat Diversität viele Dimensionen. Die wichtigsten sind: Geschlecht und geschlechtliche Identität, Alter, körperliche und geistige Fähigkeiten, Religion und Weltanschauung, sexuelle Orientierung und soziale Herkunft. Dazu kommen noch weitere Dimensionen wie Familienstand, Berufserfahrung und Ausbildungshintergrund und etwa die Dauer der Betriebszugehörigkeit.
Wer Vielfalt und Chancengleichheit will, muss Menschen mit Benachteiligungen fördern. Beispielsweise unterstützt die Leipziger Gruppe junge Menschen, die eine Ausbildung machen wollen, aber noch nicht die entsprechenden Qualifikationen, beispielsweise keinen Schulabschluss mitbringen. Die Unternehmen der Leipziger Gruppe bieten die Möglichkeit, sich langsam hinführen zu lassen und Menschen die Chance zu geben einen Berufsabschluss zu machen. Aber auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die bspw. Angehörige pflegen, erhalten Unterstützungsangebote – mit den Services von voiio. „Weil wir groß genug und ein kommunales Unternehmen sind, haben wir die Chance, ein bisschen sozialer und offener zu sein als andere“, erklärt Michael M. Theis. „Dieses Privileg ist uns bewusst, es ist aber nicht vom Himmel gefallen, sondern wurde hart erarbeitet – auch von der Arbeitnehmervertretung.“ Zum Beispiel die wegweisende gruppenweite Inklusionsvereinbarung, über die der Geschäftsführer voller Stolz spricht.
Da Diversität so viele Dimensionen hat, haben eigentlich alle Menschen dazu einen Bezug. Michael M. Theis und Doreen Rödel sprechen auch von persönlichen Erfahrungen von erlebter Benachteiligung in ihrem Umfeld: „Ich wurde zum ersten Mal als junge Führungskraft damit konfrontiert. Später war die Geburt meines ersten Kindes eine prägende Erfahrung“, so Doreen Rödel. Auch Krankheiten und Behinderung können Teil des Lebens aller sein. Michael M. Theis wurde in seiner Familie mit dem Thema Inklusion konfrontiert, als sein Enkelkind mit einer körperlichen Einschränkung geboren wurde.
Alle Menschen, die Freude haben, die Ärmel hochzukrempeln, heißt die Leipziger Gruppe willkommen. Dass einem dabei auch manchmal die eigenen Prägungen und Vorurteile bewusst werden, gehört dazu, wenn man sich mit Chancengleichheit beschäftigt. Michael M. Theis erzählt dazu eine Geschichte: Ein Akademiker mit Doktor-Abschluss hat sich einst auf eine Stelle bei den Wasserwerken beworben. Sein erster Gedanke war, dass das nie passen könne. Sie brauchten schließlich jemand, der anpacken, mitmachen und das gewerbliche Team auf Augenhöhe mitnehmen kann. Als sich der Mann dann beim Bewerbungsgespräch präsentierte, war Theis von seinen eigenen Vorurteilen erstaunt: „Das Bild hat sich verschoben. Ich merkte, der bringt noch viel mehr mit, und es hat Klick gemacht!“
Die Anforderungen an einen zeitgemäßen Arbeitgeber ändern sich heute, so Doreen Rödel. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer fordern ihre Bedürfnisse mehr ein als noch vor einigen Jahren. Da hat Corona auch einen Sprung nach vorne verursacht. Doreen Rödel fasst es mit einem Satz zusammen: „Die Welt ändert sich und wir ändern uns mit.“
Ein konkretes Beispiel: „Wir haben Bewerbungsgespräche, in denen bewusst auf bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf Bezug genommen wird“, so Michael M. Theis. Insbesondere bei den Männern ist da ein Bewusstseinswandel passiert. Auch zunehmend Männer arbeiten im Unternehmen mittlerweile in Teilzeit. Bis in die höchsten Führungsebenen gehen Väter und Mütter in Elternzeit – auch das ist vor zehn Jahren so noch nicht gewesen. Immer mehr Menschen möchten Zeit für Familie und Freizeit haben. Die Leipziger Gruppe geht auf diese veränderten Bedürfnisse ein. Denn nur wer zufriedenen ist, fühlt sich im Unternehmen wohl und bleibt beim Arbeitgeber. Viele Errungenschaften für die Beschäftigten sind im neuen Zukunftstarifvertrag festgehalten.
Gerade in der kommunalen Branche werden schon jetzt, aber noch mehr in Zukunft, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gebraucht, die Interesse an einer sinnhaften Arbeit in der Daseinsvorsorge haben – ob in der Straßenbahn oder in der Kanalisation. Es geht in der Leipziger Gruppe heute darum, Vielfalt voranzubringen: „Die Zeit ist jetzt reif, dass wir uns mehr bewusst machen, aktiver darüber sprechen und vielleicht an der einen oder anderen Stelle mehr ins Tun kommen.“ Auch Michael M. Theis sieht die Notwendigkeit, mehr Menschen anzusprechen: „Wir müssen uns zwangsläufig öffnen und das heißt, wir werden einen Großteil der Migrationsgesellschaft auch bei uns finden.“ Das stellt Führungskräfte und Beschäftigte vor neue Herausforderungen und vor die Frage: „Wie kann ich mein Team dabei unterstützen, sich zu öffnen? Was kann ich bewirken, wie Haltung zeigen und unterstützen?“ Dafür werden derzeit auch entsprechende Schulungsangebote für Führungskräfte auf den Weg gebracht.
Der Geschäftsführer sieht bei dem Thema Chancengleichheit die Möglichkeit, sich persönlich weiterzuentwickeln: „Das passiert, dass man mal einen Spruch loslässt – da nehme ich mich gar nicht aus –, es kann aber ein Bewusstsein entstehen, dass es nicht richtig war. Dann mache ich es das nächste Mal anders.“
Ein so großes Unternehmen wie die Leipziger Gruppe entwickelt die Unternehmenskultur stetig weiter. Michael M. Theis versichert aber: „Wir ändern nicht ständig Strategien. Unsere Mentalität ist: Was wir in der Gruppe tun, hat Auswirkungen auf die nächsten 10, 20, 40, 60 Jahre. Alles muss gut überlegt sein, denn eine Strom- oder Wasserleitung oder Straßenbahnschiene ist dann für die Zukunft gelegt.“ Diese Verlässlichkeit gelte auch bei Diversität. Der Beitritt zur Charta der Vielfalt, so der Geschäftsführer, soll Menschen, zum Beispiel wenn sie Migrationshintergrund haben oder aus einer besonderen sozialen Lage kommen, Verlässlichkeit geben. Die Charta ist ein Versprechen, sich langfristig an den Werten Vielfalt, Chancengleichheit und Offenheit zu orientieren.
Die Teilnahme am CSD ist für die Leipziger Gruppe selbstverständlich.
Als einer der größten Arbeitgeber vor Ort und als kommunales Unternehmen ist sich die Leipziger Gruppe ihrer gesellschaftlichen Präsenz bewusst. Allen Menschen in Leipzig gegenüber fühlt sich die Leipziger Gruppe zu Akzeptanz und Offenheit verpflichtet. Um öffentlich Gesicht für dieses Thema zu zeigen, beteiligt sich die Leipziger Gruppe auch in diesem Jahr wieder am Christopher Street Day (CSD) und wird am 16. Juli mit einem Truck auf dem Demo-Umzug vertreten sein. Denn die Rechte von lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans- und intergeschlechtlichen sowie queeren Menschen sind genauso selbstverständlich wie der Einsatz gegen Gewalt gegenüber Frauen.