Die Macht der Sprache – verbale Gewalt im Arbeitsalltag von Frauen

von Sonja Bley | 13.12.2024

„Lass mal den Papa machen!“ oder „Hast du die Tage oder was?“ – Derartige Sprüche haben viele Frauen schon zu hören bekommen. Doch die vermeintlich harmlosen Kommentare überschreiten Grenzen. Sprache hat die Macht zu verletzen. Verbale Gewalt ist unsichtbar, aber nicht weniger schmerzhaft als eine körperliche Attacke.

Stoppt Gewalt gegen Frauen

Verbale Übergriffe im Arbeitsalltag

Durchschnittlich 13 % aller Frauen haben in den letzten Jahren sexuelle Belästigungen am Arbeitsplatz erlebt. Das belegt eine Studie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Unangemessene Kommentare und anzügliche Witze waren dabei mit 62 Prozent die häufigste Form sexueller Übergriffe.

Woran erkenne ich verbale Gewalt?

Nicht immer ist klar, ob es sich noch um einen Scherz oder schon einen Übergriff handelt. Anja Strubelt, Gleichstellungsbeauftragte der Stadtverwaltung Leipzig, weiß: „Es gibt Begriffe, die werden nur Frau zugeordnet. Zum Beispiel ‚Powerfrau‘ oder ‚emotional‘. Sie werden eingesetzt, um ein bestimmtes Bild zu erzeugen. Häufig ein abwertendes.“ Seien Sie sensibel und achten darauf, welches Bild im Kopf entsteht. Beleidigungen, als Witz getarnter Spott demütigen andere Menschen, um das eigene Ego zu erhöhen.

Nicht okay sind folgende Sätze:

  • Das ist doch Frauenarbeit!
  • Die sieht echt gut aus für ne Mutter.
  • Nun seien Sie mal nicht so emotional.
  • Heute mal in Hosen? Aber in Kleidern wirken Sie viel fraulicher!

Wie verhalte ich mich bei verbalen Übergriffen richtig?

Anja Strubelt rät, Haltung zu zeigen, auch wenn das meistens großen Mut erfordert. Das sei auch, nicht mitzulachen. Teilen Sie der Gruppe mit, dass der Kommentar nicht lustig war. Dass der Song, den alle laut mitgröhlen, frauenfeindlich ist. Wenn andere betroffen sind, greifen Sie ein und bleiben Sie ruhig. Wenden Sie sich zuerst an die Person, die belästigt wird und unterstützen diese.

Sie sind selbst betroffen? „Teilen Sie auch hier Ihrem Gegenüber klar mit, dass es eine Grenze überschritten hat“, empfiehlt Doreen Rödel, Beauftragte für Chancengleichheit. Das hilft, besonders wenn der Kommentar unbedacht war. „Und wenn Sie Unterstützung und Hilfe brauchen, dann wenden Sie sich an Vertraute. Außerdem gibt es zentrale Beschwerdestellen, die Ihnen weiterhelfen“, sagt Doreen Rödel. 

Lesen Sie auch das spannende Interview mit Gilda Sahebi zu „Hass im Netz“.

Heizkraftwerk Leipzig Süd beleuchtet zum Orange Day

Leipziger Gruppe setzt ein Zeichen gegen physische und verbale Gewalt gegen Frauen und Mädchen zum Orange Day

Welche Pflichten hat der Arbeitgeber?

Die Leipziger Gruppe setzt auf Prävention. Sie hat mit Doreen Rödel eine Beauftragte für Chancengleichheit. Gemeinsam mit Anja Strubelt, der Gleichstellungsbeauftragten der Stadtverwaltung, hat sie ein Seminar über die Macht der Sprache angeboten. Im Rahmen der Orange Weeks stand die Gewalt gegen Frauen im Mittelpunkt. Beide bieten mit weiteren Kooperationspartnern aus Leipzig gemeinsam Angebote im Zeitraum der Orange Weeks. Die Mitarbeitenden erhielten so einen Einblick in das Thema. „Unser Seminar ist ein Baustein von vielen, um die Zeichen von Diskriminierung im Arbeitsumfeld aufzuzeigen, zu sensibilisieren“, erklärt Doreen Rödel. „Und natürlich sind wir nicht nur moralisch, sondern auch gesetzlich verpflichtet.“ Laut dem Allgemeinen Gleichstellungsgesetz sind präventive Maßnahmen, wie Schulungen verpflichtend.

Gut zu wissen:   

Diskriminierende Sprache lässt sich nicht vollständig vermeiden. Deshalb ist ein bewusster Umgang mit ihr umso wichtiger. Die Geschichte des Verbs „diskriminieren“ bietet interessante Erkenntnisse. Ursprünglich bedeutete es im Lateinischen „trennen“ oder „unterscheiden“ und das ganz wertfrei. Mit dieser Bedeutung wurde es im 17. Jahrhundert ins Deutsche entlehnt. Erst im 19. Jahrhundert erhielt es die heutige Bedeutung „herabwürdigen“ oder „benachteiligen“. Diese Entwicklung zeigt die Logik jeder diskriminierenden Handlung im modernen Sinne. Zuerst erfolgt eine Unterscheidung. Diese wird dann mit einer negativen Bewertung oder Ungleichbehandlung verknüpft. Die ersten Belege für die moderne Bedeutung entstehen in Diskussionen zu amerikanischen Gesetzen. Diese unterschieden zwischen „Weißen“ und „Schwarzen“ und schufen so die Grundlage für Ungleichbehandlung.

Reden birgt Risiken: Mit Sprache können wir bewusst oder unbewusst beleidigen, einschüchtern, herabsetzen und ausgrenzen. Auch ohne absichtliche Diskriminierung kann eine Aussage beim Gegenüber verletzend ankommen. Im Arbeitsumfeld ist es daher wichtig, achtsam zu sprechen und zusammen einen geschützten Raum zu schaffen.

Das könnte auch interessant sein

nach oben