17 aus 49: Gewinnzahlen für Leipzig
von Simone Liss | 11.02.2022
von Simone Liss | 02.03.2022
Hochmotiviert, hochkonzentriert, hochfokussiert – so präsentierten sich Kai Rasenberger aus Leipzig und Fabian Grün aus dem Eifel-Ort Bitburg (Rheinland-Pfalz) Ende Februar beim Kräftemessen an der Werkbank.
Die beiden Berufsathleten haben im Bildungs- und Technologiezentrum der Handwerkskammer zu Leipzig in Borsdorf den finalen Wettkampf um die Teilnahme an den Worldskills 2022 – der Weltmeisterschaft der Berufe – in Shanghai ausgetragen. Sechs Stunden haben sich beiden Anlagenmechaniker für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik (SHK) nichts geschenkt. Sägen, Feilen, Biegen, Löten – unter den Augen von Bundestrainer André Schnabel und den Juroren – darunter Weltmeister Nathanael Liebergeld und Goldmedaillengewinner bei den China International Skill Competition, Lukas Heyn – galt es, handwerkliches Geschick, Sorgfalt, technisches Verständnis, Taktik und Teamfähigkeit unter Beweis zu stellen. Vor allem aber Nervenstärke.
Bundestrainer André Schnabel.
„Es geht nicht nur darum, präzise und schnell zu arbeiten, sondern auch professionell mit dem Publikum, dem Medienrummel und möglichen Ablenkungsmanövern von Mitstreitern umzugehen. Man darf sich, schlichtweg, nicht aus der Ruhe bringen lassen“, sagt André Schnabel, ein waschechter Leipziger. Der 54 Jahre alte Sanitär- und Heizungsmeister ist seit 2012 Bundestrainer und hat schon viele Ausnahmetalente trainiert. „Kai und Fabian sind beide Champions. Wir vergleichen alle unsere Aspiranten mit Hochleistungssportlern – sie trainieren in jeder freien Minute, verzichten auf Alkohol, Zigaretten sowie Drogen und nehmen Fairplay sehr ernst“, sagt Schnabel. Für ihn sind die Worldskills „wie Olympische Spiele, nur schöner“. „In vielen anderen Ländern der Welt, vor allem in Asien, wird die Handwerkskunst sehr geschätzt und die WM-Teilnehmer gefeiert wie Stars. Das gibt den jungen Handwerkern viel Kraft. Sie kommen nach der Weltmeisterschaft mit einem besonderen Gefühl zurück: jemand zu sein.“
Weltmeister Nathanael Liebergeld (r.) begutachtete die Arbeit der Finalisten.
Seit 1950 liefern sich Auszubildende, Studierende und junge Fachkräfte aus der ganzen Welt bei den Worldskills einen freundschaftlichen Wettstreit. Im Vordergrund stand unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg der Gedanke der Völkerverständigung. Heute ist die Idee des Leistungstransfers vorherrschend. Mehr als 1500 Teilnehmer aus mehr als 50 Berufen und mehr als 80 Ländern treten aller zwei Jahre gegeneinander an – in diesem Jahr vom 12. bis 17. Oktober in Shanghai. Die Worldskills genießen in vielen Ländern hohes Ansehen. Die Schweizer Berufe-Nationalmannschaft etwa wird bei der Abreise von Jagdfliegern der Luftwaffe bis an die Landesgrenze eskortiert – und dort bei der Rückkehr wieder in Empfang genommen. In Südkorea feiert man heimische Gewinner wie Spitzensportler, ihnen winken neben Ruhm viel Geld. In Deutschland dagegen ist die Berufe-Olympiade, die alle zwei Jahre ausgetragen wird, relativ unbekannt und die Finanzierung mühselig. „Das zeigt die oft geringe Wertschätzung für das Handwerk hierzulande. Wir haben das Glück, unter anderem von den Leipziger Stadtwerken und unserem tragfähigen Netzwerk in und um Leipzig zu profitieren. Viele Unternehmen – darunter die Leipziger Gruppe – sind daran interessiert, gut ausgebildete Handwerker an sich zu binden. Deshalb ist die Investition in nachwachsende Ressourcen, nämlich Auszubildende, Gold wert“, sagt Schnabel. Dies bekräftigt Steffen Methner, Abteilungsleiter Groß- und Gewerbekunden/Immobilienwirtschaft/Netz bei den Leipziger Stadtwerken: „Der Fachkräftemangel ist ein Thema, das auch unsere Branche beschäftigt. Ein Event wie die Qualifikation zu den Worldskills zeigt, wie bedeutend der internationale Wettbewerb um exzellente Handwerker ist. Auch die Corona-Pandemie hat uns vor Augen geführt, wie wichtig die Konzentration auf gut ausgebildete Fachkräfte ist.“
Ein 15er Kupferrohr mit Gravur.
Oftmals prägt noch immer die Vorstellung von strengen Meistern, Knochenarbeit, unattraktiven Arbeitszeiten und niedrigen Einkommen das Image der Zunft. Viele Betriebe haben Mühe, ihre Lehrstellen zu besetzen. Die Kinder lernen, mit dem Kopf zu arbeiten, mit den Händen sollen dann andere arbeiten. Vorbei die Mär vom goldenen Boden – Handwerk gilt hierzulande bei vielen jungen Leuten als Refugium vergangener Zeiten. Doch Kai Rasenberger ist ein Paradebeispiel dafür, dass Handwerk im Allgemeinen und sein Metier als Installateur eine spannende Sache sein können. Für ihn stand sehr früh fest, dass er Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnikfachmann werden würde. „Mein Vater ist vom Fach und unter anderem in den Installateurverzeichnissen der Leipziger Stadtwerke und der Leipziger Wasserwerke gelistet. Er hat einen eigenen Meisterbetrieb, und mein Bruder ist Elektrikermeister. Beide haben mich motiviert und sehr unterstützt. Das Training kostet nicht nur Zeit, sondern auch Geld. Man verbraucht viel für Werkzeug, Material und Fahrten“, sagt Rasenberger. Vergangenes Jahr ist er in Koblenz Deutscher Meister geworden. „Das macht man nicht mit links. Kein Meister fällt vom Himmel. Ich habe zweitweise von 8 bis 22 Uhr geübt – Maßhalten, Löten, Lötnähte überdecken und und und. Immer wieder aufs Neue. Doch wenn man ein Ziel hat und Familie und Freunde hinter einem stehen und einen anfeuern, dann ist es den Einsatz wert“, sagt Rasenberger, der gerade, mit 21 Jahren, seinen Meister macht.
„Bei uns zählt nicht, wo man herkommt, sondern wo man hin will“, sagt sein Coach, André Schnabel. „Ob Deutscher Meister, Europameister oder Weltmeister – diese Erfolge sind tolle Referenzen. Unsere Jungs und Mädels haben keine Probleme, einen guten Job zu finden.“ Schnabel, der auch stellvertretender SHK-Obermeister und stellvertretender Kreishandwerksmeister ist, kennt die Sorgen vieler seiner Kollegen. Die Installateur-Arbeit ist zwar körperlich leichter und sauberer geworden – aber auch anspruchsvoller. Höchste Hygienestandards etwa beim Trinkwasser, strenge Umweltschutzvorschriften bei der Abwasserentsorgung, die Einbindung von regenerativen Energien in kombinierte Heizsysteme, immer mehr Elektronik auf dem Weg zum Smart Home: „Da ist nicht nur Körpereinsatz, sondern vor allem Köpfchen gefragt.“
Keine leichte Aufgabe: André Schnabel mit der technischen Zeichnung des Völkerschlachtdenkmals.
Anlagenmechaniker für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik installieren Wasser- und Luftversorgungssysteme sowie Anlagen zur Regen- und Brauchwassernutzung. Sie montieren Heizungssysteme, stellen Heizkessel auf und bearbeiten Rohre, Bleche und Profile aus Metall oder Kunststoff. Zudem bauen sie energieeffiziente und umweltschonende Systeme wie beispielsweise Solaranlagen, Wärmepumpen und Holzpellets-Anlagen. Geschwindigkeit und Genauigkeit sind in ihrem Job gefragt – perfektionierte Arbeitsabläufe vorausgesetzt. „Für Auszubildende eine Herausforderung. Aber Weltverbesserer wird man auch nicht über Nacht. Man muss es drei Jahre und mehr lernen und diese Zeit ist richtig und wichtig“, sagt Schnabel.
Er vertritt Deutschlands SHK-Installateure bei den Worldskills 2022 in Shanghai: Fabian Grün.
Für den Wettkampf in Borsdorf haben sich er und Josef Bock, Bundestrainer der Klempner aus Schweinfurt, etwas Besonderes ausgedacht: Kai Rasenberger und Fabian Grün müssen innerhalb von zwei Stunden aus einem fünf Meter langen 15er Kupferrohr das Völkerschlachtdenkmal bauen. Es wird ein Kopf-an-Kopf-Rennen, das am Ende Fabian Grün mit 0,85 Punkten Vorsprung für sich entscheidet. „Es war ein fairer, niveauvoller, guter Wettbewerb und ich freue mich für Fabian. Aber auch für Kai. Er bekommt eine zweite Chance und die Möglichkeit, 2023 bei der EM anzutreten. Ich bin sicher, er wird die Gelegenheit nutzen.“