Leipziger Gruppe: Trotz Gas-Krise auf dem richtigen Weg
von Simone Liss | 14.03.2022
von Simone Liss | 24.10.2023
Die Zukunft beginnt im Leipziger Süden. „Hier wird heute Geschichte geschrieben“, sagte Hartmut Höppner, Staatssekretär im Bundesministerium für Digitales und Verkehr zur feierlichen Eröffnung des Heizkraftwerks (HKW) Leipzig Süd.
Bei schönstem Herbstwetter feierten rund 5.000 Besucher die Eröffnung des Heizkraftwerks Leipzig Süd.
Wolfram Günther, Hartmut Höppner, Judith Pirscher und Karsten Rogall (v.l.n.r.)
Die Zukunft beginnt im Leipziger Süden. „Hier wird heute Geschichte geschrieben“, sagte Hartmut Höppner, Staatssekretär im Bundesministerium für Digitales und Verkehr zur feierlichen Eröffnung des Heizkraftwerks (HKW) Leipzig Süd. Höppner spielte damit auf den „Weitblick Leipzigs“ an, den Wolfram Günther, Sachsens Staatsminister für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft, betonte: „Leipzig redet nicht nur über die Energiewende, sondern hat gehandelt und Deutschlands erstes wasserstofffähiges Heizkraftwerk gebaut – und das in nur 1.234 Tagen Bauzeit.“ Ein Novum in Deutschland. „Mutig“ nannte Judith Pirscher, Staatssekretärin im Bundesministerium für Bildung und Forschung, diese Entscheidung: „Leipzig ist es ernst mit der Klimaneutralität.“ Von Leipzig ginge ein wegweisendes Zeichen aus: Hybrid sind heute nicht mehr nur Autos, Arbeitswelten, Fassadenfarben, Putz und Kleber, sondern auch Kraftwerke. 70 Prozent Gas, 30 Prozent klimaneutraler Wasserstoff – spätestens 2025 sollen die beiden Siemens-Turbinen im HKW Leipzig Süd beide Energieträger verbrennen und damit den Anfang einer neuen Ära der Wärme- und Stromversorgung markieren.
Projektleiter Thomas Brandenburg (m.) übergibt den Stadtwerke-Geschäftsführern Karsten Rogall (r.) und Dr. Maik Piehler (l.) das TÜV-Zertifikat, das dem HKW Leipzig Süd H2-Readiness bescheinigt.
„Wir planen, ab 2025 mit der Beimischung von Wasserstoff zu beginnen“, so Thomas Brandenburg, Projektleiter der Leipziger Stadtwerke. Die Wasserstoff-Beimischung ab 2025 solle in einem vom Bund geförderten Entwicklungsprojekt erfolgen – gemeinsam mit dem Turbinen-Hersteller Siemens Energy und der Leipziger Hochschule HTWK, sagte Brandenburg. „Für den Fall eines positiven Genehmigungsbescheides wird es sich dann um erste geringe Mengen handeln.“ Um die Produktion von Wasserstoff voranzutreiben, projektieren die Stadtwerke gerade eine Elektrolyse-Anlage.
Zeitgleich bewerben sich die Stadtwerke um Fördermittel für eine Wasserstoff-Pipeline und treiben die Genehmigungsplanungen voran. Einerseits soll dafür eine 19 Kilometer langen Trasse von Kulkwitz zum Chemiestandort Leuna – wo gerade große Elektrolyseanlagen für grünen Wasserstoff entstehen – gebaut werden. Andererseits will Leipzig noch eine Ringleitung um die Stadt schaffen, die auch das neue HKW Süd mit dem Heizwerk Kulkwitz verbindet, dort also Anschluss nach Leuna fände. Frühester Termin für eine Inbetriebnahme, wenn alles optimal läuft: Ende 2027.
Leipzig geht „einen entscheidenden Schritt Richtung Energieversorgung der Zukunft“, sagte Energie- und Klimaschutzminister Wolfram Günther bei der Eröffnungsfeier des HKW Leipzig Süd. „Die Eröffnung heute zeigt zwei Dinge: Die Kommunen sind ganz entscheidende Treiber, um Energiewende und Klimaneutralität voranzubringen. Und diejenigen, die sich bereits auf den Weg Richtung Klimaneutralität gemacht haben, stehen heute krisenfester da als die, die den Schritt noch vor sich haben.“ Die Stadt Leipzig könne stolz darauf sein. „Sie hat sehr viel Voraussicht gezeigt und die Planungen lange vor der Energiepreiskrise begonnen.“
Das HKW Leipzig Süd war schon Ende 2022 in den Dauerbetrieb gestartet – vorerst mit Erdgas. Zumindest in Europa sei es aber die erste Anlage, die komplett für den Einsatz von klimaneutralem Wasserstoff vorbereitet und TÜV-zertifiziert ist, betonte Oberbürgermeister Burkhard Jung nun. In lediglich zwei Jahren Bauzeit habe der Leipziger Energieversorger einen wichtigen Beitrag zur Wärmewende geleistet, sagte Jung. Der Anteil von Fernwärme im Stadtgebiet liegt aktuell bei mehr als 25 Prozent; er soll und kann auf mehr als 50 Prozent verdoppelt werden.
Karsten Rogall, Geschäftsführer der Leipziger Stadtwerke, wandte sich mit einer besonderen Bitte an alle Leipziger: „Schließen Sie diese Anlage in Ihr Herz. Sie ist das Ergebnis einer außergewöhnlichen Leistung vieler Menschen. Wir bedanken uns bei allen, die das Projekt mitgetragen haben – vor allem bei den Anwohnern und Bau-Partnern.“ Trotz Corona-, Bau- und Energiekrise sei das reichlich 180 Millionen Euro teure Vorhaben pünktlich fertiggestellt worden und im Budget dessen geblieben, was der Aufsichtsrat genehmigt hatte: maximal 188 Millionen Euro.
Das HKW Leipzig Süd gilt als eines der emissionsärmsten Gasturbinenkraftwerke. Dessen Emissionen liegen kaum messbar weit unter dem Niveau der gesetzlich zulässigen Grenzwerte. Es ist ein Schlüsselprojekt im Wärme-Zukunftskonzept der Leipziger Stadtwerke. „Unser Ziel ist es, in absehbarer Zeit Leipzigs Energieversorgung mit umweltfreundlichen und innovativen Anlagen sicherzustellen, keine CO2-Emissionen mehr zu erzeugen und so die Klimaneutralität der Stadt zu befördern“, sagt Dr. Maik Piehler, Geschäftsführer der Leipziger Stadtwerke.
Viele Besucher waren ob der Reinheit und Sauberkeit des Kraftwerksblocks beeindruckt.
Auch Leipzigs Wirtschaftsbürgermeister Clemens Schülke, Aufsichtsratsvorsitzender der Leipziger Stadtwerke, lobte die Zielstrebigkeit und Standhaftigkeit sowie das Verantwortungsbewusstsein des kommunalen Energieunternehmens: „70 Millionen Euro an Wertschöpfung sind durch den Kraftwerksneubau in der Region geblieben – das ist ein klares Bekenntnis zum Wirtschaftsstandort Mitteldeutschland.“ Stichwort Bekenntnis: Ob des zahlreichen Lobes aus Wirtschaft, Politik und Forschung sagte Oberbürgermeister Burkhard Jung: „Chapeau! Ich bin stolz auf meine Stadtwerke!“
Ein Satz, den der ehemalige Kesselwärter Klaus-Dieter Kühn am Eröffnungsabend bestätigte. „Dieses Kraftwerk ist der Wahnsinn. Ich bin heute Abend Besucher und beeindruckt, wie sauber es im Inneren aller Kraftwerksgebäude ist und wie wenig Menschen heutzutage nötig sind, um ein Kraftwerk dieser Leistungsfähigkeit zu betreiben, zu überwachen und zu warten. Wenn ich an die Dreckschleudern von einst denke – ich war Maschinist im Öl-Kesselhaus der DEWAG – ist das, was ich heute gesehen habe, kaum zu glauben.“