Warum ist Diversität für kommunale Unternehmen so wichtig?

von Simone Liss | 22.07.2024

Diversität, also Vielfalt in der Belegschaft, tut nicht nur den Mitarbeitenden gut, sondern auch kommunalen Unternehmen. Studien belegen: Wo Vielfalt herrscht, ist das Arbeitsklima besser – und der betriebswirtschaftliche Gewinn höher.

Wir sind Öffi für alle: Mit dieser Armbinde werben die Leipziger Verkehrsbetriebe für Vielfalt und Toleranz.

Wir sind Öffi für alle: Mit dieser Armbinde werben die Leipziger Verkehrsbetriebe für Vielfalt und Toleranz.

All you need is L: Mit diesem Slogan wirbt die Leipziger Gruppe für sich.

All you need is L: Ein Slogan der Leipziger Gruppe.

So vielfältig wie der Verband kommunaler Unternehmen mit seinen 1.572 Mitgliedsunternehmen ist, so vielseitig soll auch das VKU-Netzwerktreffen am 30. und 31. Juli in Leipzig sein. Es steht unter dem Motto MACHBUNT! und rückt das Thema Diversität in der Daseinsvorsorge in den Mittelpunkt. Dass das Netzwerktreffen in Leipzig stattfindet, kommt nicht von ungefähr: Leipzig gehört nicht nur zu den lebenswertesten Städten des Landes. Die Ost-Metropole ist auf gutem Weg, das auch in Zukunft zu bleiben. Dieses Bild ergibt sich aus dem aktuellen Städteranking des Wirtschafts- und Beratungsunternehmens Prognos. 71 deutsche Städte mit mehr als 100.000 Einwohnern haben die Experten analysiert. Leipzig landete auf Platz sechs und punktete vor allem in den Kategorien Soziales, Digitalisierung und Ökologie.

Um soziale und strukturelle Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Menschen und Gruppen geht es auch beim Thema Diversität. Die Leipziger Gruppe und ihre 5.100 Beschäftigten sind so vielfältig wie ein großer Unternehmensverbund nur sein kann. Allein die Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) beschäftigen Menschen aus 43 Nationen. Zwölf Prozent der Auszubildenden in der LVB-Gruppe haben Migrationshintergrund.

„Vielfalt ist der Schlüssel für unseren Unternehmenserfolg und bleibt für uns Daueraufgabe – auch, um für die Fachkräfte von morgen ein attraktiver Arbeitgeber zu sein", so Kerstin Schultheiß, Arbeitsdirektorin und Geschäftsführerin der Leipziger Gruppe.

Welchen Stellenwert das Thema Diversität hat, zeigt unter anderem diese Personalie: Seit 1. April 2024 gibt es bei den Leipziger Verkehrsbetrieben mit Sabine Minet eine Managerin Diversity/Inclusion/CSR-Projekte der LVB-Gruppe. „Unsere Teams sind schon immer sehr vielfältig – in ganz vielen Aspekten des Lebens. Damit gehen wir meistens auch ganz gut um. Jetzt kommen neue Aspekte von Vielfalt verstärkt hinzu, insbesondere weil wir weiter erfolgreich darin sein wollen, noch mehr Menschen für die Arbeit mit uns zu gewinnen. Das ist deshalb erfolgskritisch für uns, weil wir damit unser Verkehrsangebot erhalten und erweitern und tendenziell bessere Lösungen für unsere Kunden finden können“, sagt Sabine Minet. „Aber es stellt uns auch vor große Herausforderungen. Vielfalt kann durchaus anstrengend sein, wenn ganz verschiedene Bedürfnisse oder Sichtweisen auf ein Thema zusammenkommen. Deshalb unterstützen wir unsere Teams, miteinander gut umzugehen.“

Um diese Perspektiven geht es beim VKU-Netzwerktreffen MACHBUNT!. Wir haben mit dem Organisator des Netzwerktreffens, Jarno Wittig – Geschäftsführer der VKU Service GmbH – darüber gesprochen, welches Potenzial das Thema Diversität hat, warum es kein Nischenthema mehr sein sollte, und weshalb Leipzig genau die richtige Stadt für das Netzwerktreffen ist.  

Jarno Wittig, Geschäftsführer der VKU Service GmbH

Jarno Wittig, Geschäftsführer der VKU Service GmbH

Frage: Bevor wir über Diversity in kommunalen Unternehmen sprechen, eine persönliche Frage: Vielfalt und Chancengleichheit werden oft als Nischen- oder Randthemen bezeichnet, als vogue oder hip abgetan – ärgert Sie das?

Jarno Wittig: Ärgern wäre zu viel gesagt. Doch geht es an der Realität vorbei, wenn Diversität beispielsweis als „soziales Gedöns“ für Randgruppen abgetan wird. Unternehmen und ganze Volkswirtschaften verschenken Potenzial, wenn sie nicht erkennen, dass Vielfalt, bunte, gemixte Teams, das Zusammenspiel von Alt und Jung, verschiedene religiöse oder kulturelle Hintergründe eine unglaubliche Kraft und Dynamik entfalten und Wettbewerbsvorteile generieren. 

Wer steckt hinter dem Diversity-Netzwerk MACHBUNT! und welche Ziele verfolgt es?

Das Diversity-Netzwerk MACHBUNT! des VKU hat das Ziel, Best Practices zu teilen, Hindernisse gemeinsam zu überwinden und Menschen eine Heimat und Orientierung zu geben, die ihre Unternehmen vielfältiger machen wollen. Wir wollen damit einen direkten Beitrag leisten, um die Attraktivität von kommunalen Unternehmen als Arbeitgeber zu steigern, die Unternehmen sichtbarer zu machen und Menschen für eine sinnstiftende Tätigkeit zu begeistern, die bislang keinen Kontakt mit unseren Unternehmen der Energie-, Wasser- und Abwasserwirtschaft oder der Abfallwirtschaft und Stadtsauberkeit hatten.

Nur wer Vielfalt lebt, wird in Zukunft Fachkräfte gewinnen

Welchen Stellenwert hat Vielfalt in kommunalen Unternehmen und bei ihren Führungskräften?

Aus meiner Perspektive eine noch zu geringe, und es ist eine klare Führungsaufgabe, das zu ändern. Es gibt unglaublich großartige Menschen in der Kommunalwirtschaft, die implizit und teilweise auch schon explizit divers und ohne Vorurteile führen, managen und gestalten. Es gibt aber auch verantwortliche Menschen, die ausgrenzen, Anderssein argwöhnisch beäugen oder es bei der Auswahl von Mitarbeitenden erst gar nicht zulassen und so lieber unter „sich“ bleiben. Das kann man(n) machen, wird aber auf Dauer nicht erfolgreich sein.

Wie wichtig ist es gerade, kommunale Unternehmen vielfältiger zu machen? Oder anders gefragt: Warum ist Vielfalt ein Wettbewerbsvorteil?

Alle Branchen und Unternehmen sind mit einem grundsätzlichen Arbeitskräftemangel konfrontiert. Waren es in der Kommunalwirtschaft früher beispielgebend „nur“ die Ingenieure, die gefehlt haben, sind es heute Menschen für den Bäderbetrieb, für gewerbliche Aufgaben in der Wasser- oder Abfallwirtschaft oder für den ÖPNV, die fehlen. Selbst Verbände wie der VKU haben heute signifikant weniger Bewerbungen als noch vor zehn Jahren und sind im Wettstreit um Menschen. Wenn wir uns also nicht allen Teilen der Gesellschaft öffnen, deren „Willkommensein“ nicht nur postulieren, sondern auch ernsthaft leben, werden wir Menschen nicht mehr für uns begeistern, Aufgaben nicht mehr erledigen und langfristig nicht erfolgreich sein können.

Wann sind Teams divers, und wo ist ihr Vorteil gegenüber homogenen, einheitlichen Arbeitsgruppen?

Ich glaube, es ist nicht damit getan, Quoten oder Mengengerüste vorzugeben, um dann mathematisch sauber Diversität zu belegen. Und erst recht ist es damit nicht getan, Flaggen zu hissen, Pride-Weeks zu zelebrieren und für den Rest des Jahres „business as usual“ zu machen. Aber Flaggen können ein Anfang sein.

Es ist für meine Begriffe maßgeblich eine Frage der Haltung, wie ich beispielsweise Bewerbungen lese, aussortiere oder aufgrund von Alter oder Jugendlichkeit sage: das passt nicht. Gemixte Teams sind schlichtweg erfolgreicher, weil sie verschiedene Kompetenzen, unterschiedliche Stärken und Erfahrungen brauchen. Ich kenne beispielgebend keine erfolgreiche Fußballmannschaft, die nur mit 18-jährigen Abwehrspielern aufläuft, die allesamt in Niedersachsen geboren sind.

Strategisches Diversity-Management steckt noch in den Kinderschuhen

Gibt es ein Unternehmen in Ihrem Netzwerk, das besonders progressiv in Bezug auf strategisches Diversity Management ist?

Beispielsweise sind es die Unternehmen, die das Netzwerktreffen mitgestalten und Stationen im World-Café hosten. Doch daneben gibt es viele weitere in Deutschland. In der Regel sind es größere und leistungsfähigere Unternehmen, die auch Personal eigens dafür haben. Doch diese müssen eben auch für tausende von Mitarbeitenden arbeiten und wirken. Grundsätzlich steht strategisches Diversity-Management – nicht nur in der Kommunalwirtschaft – aus meiner Perspektive noch am Anfang.

Warum hat sich der VKU für als Leipzig als Treffpunkt entschieden, und was erhoffen Sie sich von diesem Netzwerktreffen?

Ich könnte flapsig sagen: weil ich 30 Jahre hier gelebt habe, immer noch verliebt in die Stadt bin und wieder herwollte. Aber im Ernst: Es war das Ergebnis der vergangenen digitalen Netzwerktreffen, dass sich die Teilnehmenden einen persönlichen Austausch gewünscht haben. Mit Marc Backhaus, dem Pressesprecher der Leipziger Verkehrsbetriebe, keimte dann die Idee, nach Leipzig einzuladen, die Vernetzung zu stärken, und ich bin ihm und der Leipziger Gruppe dafür sehr dankbar. Letztlich ist Leipzig als bunte, tolerante und weltoffene Universitäts-, Musik-, Messe- oder auch Sportstadt perfekt für das erste Live-Treffen des Diversity-Netzwerks MACHBUNT! des VKU.

Das Diversity-Netzwerk MACHBUNT! des VKU lebt vom Engagement der Teilnehmenden und deren Impulsen. Die VKU Service GmbH als Teil der Familie des VKU ist Plattform-Organisator und leistet inhaltlichen und organisatorischen Support. Wer das Netzwerktreffen live oder im Netz verfolgen will, findet hier mehr Infos: https://www.kommunaldigital.de/mach-bunt

Das könnte auch interessant sein

nach oben