Bückling – so ein antiquiertes Wort. „Heute undenkbar und unaussprechlich“, sagt Möbius. „Und das ist auch gut so. Als ich noch Azubi war, durfte man erst sprechen, wenn man gefragt wurde. Auch solche Sätze kenne ich noch: ,Lehrjahre sind keine Herrenjahre‘. Ich selbst habe diesen Satz nie ausgesprochen, weil er absolut nicht angemessen ist. Jeder Neustarter hat das Recht, zu lernen, zu wachsen, sich zu entwickeln – und natürlich nicht von oben behandelt zu werden. Es ist leicht, aus einer privilegierten Position heraus jemanden zu diskreditieren. Aber es zeugt nicht von persönlicher Größe“, sagt Möbius. Zum Glück seien die Auszubildenden von heute diesbezüglich aufgeklärter und selbstbewusster. „Der zwischenmenschlichen Beziehung wird heutzutage viel mehr Wert geschenkt als zu meinen Azubi-Zeiten“, sagt Janko Möbius. Doch heute gebe es andere Herausforderungen. „Oftmals mangelt es Auszubildenen im ersten Lehrjahr an Sozialkompetenz, Reife und innerer Stabilität. Höflichkeit ist für manche ein Fremdwort. Einigen mangelt es zudem an Frustrationstoleranz. Bei Rückschlägen nicht aufzugeben, andere um Hilfe bitten, zugeben, wenn man etwas nicht verstanden hat – auch das muss man lernen. Und darauf zu vertrauen, dass es gut ist, Schwächen zuzugeben“, sagt der Vater eines elfjährigen Sohnes.
Was macht Möbius‘ Ansicht nach einen guten Ausbilder aus? „Ein guter Ausbilder fordert und fördert. Er ist offen, ehrlich und kommuniziert klar und deutlich, wie Aufgaben zu bearbeiten sind. Er ist bei Problemen ansprechbar und kritisiert konstruktiv. Er lebt Leistungsbereitschaft und Willen zum Erfolg aktiv vor.“ Welche Tipps er allen Ausbildern gibt? „Man sollte ein Vorbild sein, ohne sich selbst zu verstellen. Zudem motiviert Auszubildende nichts mehr, als schnell Verantwortung übertragen zu bekommen. Außerdem ist es wichtig, Konflikte offen auszutragen und das angemessen anzusprechen, was einen stört. Auch fair zu bleiben, wenn es schwerfällt, ist enorm wichtig.“ Ausbilder zu sein, sei für Möbius kein Beruf, sondern Berufung. „Für die Erfüllung dieser Berufung kommt es auch wesentlich auf das richtige Team an. Das habe ich, kann ich mit Stolz sagen.“
Zuzugeben, dass man auch fehlbar ist und nicht alles weiß und ahnt – auch dies stärkt die Vertrauensbasis zwischen Ausbilder und Auszubildendem. „Wir mussten erst vor kurzem die Erfahrung machen, dass auch wir den Entwicklungen der neuen Zeit auf den Leim gehen. Eine Schülerin hatte ihre Bewerbung mithilfe generativer Künstlicher Intelligenz erzeugt. Wir waren beeindruckt ob der Fachbegriffe und der Wortgewandtheit in dem Anschreiben. Als die Schülerin dann im Bewerbungsgespräch vor uns saß, brach das Kartenhaus in sich zusammen, und uns wurde unsere Arglosigkeit und vorauseilende Erwartung bewusst. Das passiert uns so sicher nicht noch mal.“