Ukraine-Hilfe: Tonnenweise Hilfsgüter und mehr als 250.000 Euro

von Simone Liss | 18.03.2022

Inkubatoren statt Kabeltrommeln, Kanülen statt Stahl, Defibrillatoren statt Blei: Die Kabelhalle der Leipziger Stadtwerke in der Roscherstraße ist gerade eine wichtige Drehscheibe für Sachspenden, die über Krakau in die Ukraine gehen.

André Kießling spricht in ein Mikrofon.

André Kießling steuert das Drehkreuz für Großspenden in der Kabelhalle der Leipziger Stadtwerke.

Und das in Größenordnungen, die erfahrene Logistiker und kühle Köpfe bedürfen. André Kießling steuert hauptsächlich die kaufmännischen Aufgaben der Leipziger Stadtwerke – nun steht er in der 3300 Quadratmeter großen Kabelhalle und managt zusätzlich die Verteilung der Großspenden, die von Kliniken und Unternehmen wie dem St. Georg, Amazon oder der Delitzscher Schokoladenfabrik kommen. Eine Kraftanstrengung, die Kießling gemeinsam mit rund 15 Kollegen der Stadtwerke, Wasserwerke und Verkehrsbetriebe stemmt – Mitarbeiter der Leipziger Gruppe, die freiwillig ihren Schreibtisch gegen Gabelstapler, Palettenwickler oder einen Bauwagen getauscht haben.

Christina Lange spricht in ein Mikrofon.

Christina Lange kommissioniert mit ihrem Team die Spenden.

Unter anderem Christina Lange. Sie hat ihr Büro im Europahaus gegen einen Miniplatz im Bauwagen aufgegeben und checkt hier Transportlisten, aktualisiert das Warenwirtschaftssystem, koordiniert die Einsatzkräfte. „Wir waren überwältigt, wie viele Kollegen ihre Hilfe angeboten und uns – zusätzlich zu ihren eigentlichen Aufgaben – unterstützt haben. Dieses Engagement ist großartig und zeigt, was man kurzfristig gemeinsam auf die Beine stellen kann“, sagt Christina Lange. Mit ihren Kolleginnen Julia Hänsgen und Petra Kowalski steht sie zwischen 1160 Schoko-Pinguinen, Zelten, Wasserkochern, Wassertanks, Suppenwärmern, Inkubatoren, Überwachungsmonitoren – alles muss kommissioniert und auf den Weg gebracht werden.

Sammelzentrum Leipzig Nord: Drehkreuz für medizinische, humanitäre und technische Hilfsgüter

Die Kabelhalle ist ein großes Gebäude aus rotem Backstein.

Anlaufstelle für institutionelle Großspender: Die Kabelhalle der Leipziger Stadtwerke.

Seit 9. März ist das Sammelzentrum Leipzig Nord in Betrieb. Organisatoren sind die Stadt Leipzig und die Leipziger Gruppe. „Gesammelt werden institutionelle Hilfsgüter, wie beispielsweise Medizin oder technische Geräte. Sie werden in unsere Partnerstadt Krakau gebracht und von dort aus in die Ukraine“, sagt Ulrich Hörning, Verwaltungsbürgermeister der Stadt Leipzig. „Das Drehkreuz funktioniert. Von hier gelangen medizinische, humanitäre und technische Hilfsgüter über die Hilfe-Kette Leipzig – Krakau – Lemberg direkt nach Kiew: Unter anderem die Sachspenden der Leipziger Stadtwerke im Wert von 100.000 Euro sowie das medizinische Equipment, das die Stadt im Klinikum St. Georg geordert hat und das umgehend in die Hauptstadt der Ukraine sowie nach Charkow gebracht wird. Am 16. März hat ein 40-Tonner unseren Hof verlassen – vollgepackt mit Transportmonitoren für EKG und Drucküberwachung sowie Defibrillatoren und Infusionsständern. Heute sind Kanülen, Verbandsmaterial, Beatmungsbeutel und Spritzen geliefert worden. Auch sie gehen umgehend auf die Reise“, sagt Kießling.

In einer Lagerhalle stehen mehrere Paletten mit Hilfsgütern.

Kanülen, Verbandsmaterial, Beatmungsbeutel und Spritzen: Sie stehen, auf Paletten gestapelt, zum Transport bereit.

Kießling steht in ständigem Kontakt mit dem Verein „Humanitäre Hilfe Ukraine e.V.“, der die Transporte in die Krisenregionen übernimmt. Jeder Rufton seines Smartphones ist mit der Hoffnung verbunden, dass die Lkw unbeschadet ihr Ziel erreicht haben und auf dem Heimweg sind. Zuhause – das ist jetzt für viele Schutzsuchende aus der Ukraine: Leipzig. Deshalb geht ein Teil der Großspenden – unter anderem Lebensmittel, Mobiliar und 1160 Schoko-Pinguine – in die Unterkünfte der Stadt. „Wir sind gerade dabei, mit Partnern und eine zweite Logistikschiene für die Hilfe hier vor Ort aufzubauen – beispielsweise in dem wir Behelfskindergärten und -wohnungen ausstatten und die Schutzbedürftigen mit dem Nötigsten versorgen“, so Kießling. Die 128 Meter lange, brandgeschützte und gesicherte Backsteinhalle bietet sich für Interieur jeglicher Art an. Schon heute stehen hier Schreibtische, Spinde und Stühle, die sicher bald zum Einsatz kommen.

In einer Videokonferenz mit europäischen Großstädten hat Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko seine Bitte um Spenden erneuert. Die bisherigen Lieferungen hätten den Menschen in Kiew und der gesamten Ukraine bereits sehr geholfen. Es bestehe aber weiterhin ein großer Bedarf. „Wir brauchen Nahrungsmittel, Wasser, Medikamente“, sagte Klitschko. Die Transportwege nach Kiew seien frei. „Kiew ist nicht umzingelt“, betonte Klitschko. Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung, der Donnerstagmittag an der Videokonferenz des europäischen Städtenetzwerks Eurocities teilnahm, versprach weitere Hilfe für Kiew und die Ukraine auch aus Leipzig. „Jetzt haben wir auch Gewissheit, dass Kiew erreichbar ist, das ist eine gute Botschaft für uns und für alle, die Spenden geben, die Spenden sammeln und die, die Spenden transportieren“, so Jung.

Bürger, Unternehmen, Vereine spenden auf Leipziger Crowd bisher mehr als 250.000 Euro

Ein Gabelstapler nimmt Paletten mit Hilfsgütern auf.

Die Hilfsgüter werden verladen.

Über das Engagement vor Ort hinaus bieten die Stadt Leipzig und L-Gruppe zur Unterstützung von Schutzsuchenden weiter eine digitale Spenden-Aktion an: Auf www.leipziger-crowd.de/ukraine-hilfe kann jeder, der helfen möchte, einen Beitrag für die Unterstützung von Schutzbedürftigen leisten. Mehr als 250.000 Euro (Stand 18.3.) wurden bereits von mehr als 2000 Unterstützern gespendet. Die erste Tranche in Höhe von insgesamt 100.000 Euro soll in der kommenden Woche ausgezahlt werden. 50.000 Euro gehen an den Verein Humanitäre Hilfe Leipzig e.V.  50.000 Euro kommen Schutzbedürftigen in Leipzig zugute und gehen an das Sachspendensammelzentrum am Olympiastützpunkt (Am Sportforum 10), um dringend benötigte Güter zu erwerben. Von dieser Sammelstelle werden Sachspenden an die Erstaufnahmeeinrichtungen und Notunterkünfte innerhalb von Leipzig ausgeliefert. Neben ehrenamtlichen Helfern werden folgende Güter derzeit u.a. benötigt: Hygieneartikel, Reisewaschmittel, Handtücher, Bademäntel, Unterwäsche, Socken, Schreib- und Spielsachen. Initiiert wurde das Zentrum vom SC DHfK Handball und der Sportstadt Leipzig.

Ziel ist es, mithilfe der Leipziger Crowd eine Spendensumme in Höhe von 609.869 Euro zu sammeln – also symbolisch 1 Euro pro Leipziger. „Wir haben das Ziel hoch gesteckt – denn wir sind Leipziger. Gemeinsam packen wir’s!“, sagt Frank Viereckl, Sprecher der Leipziger Gruppe. „Schon jetzt ist die gemeinsame Aktion, gestartet von der L-Gruppe, der Stadt Leipzig und weiteren Partnern, die erfolgreichste auf unserer Sammel-Plattform Leipziger Crowd. Einer der vielen Unterstützer ist zum Beispiel die Leipziger Messe. „Solidarität und aktive Hilfe sind das Gebot der Stunde. Wir möchten dazu beitragen, die dringend notwendige Hilfe für geflüchtete Menschen zu gewährleisten. Als weltoffenes, international tätiges Unternehmen halten wir das nicht nur für unsere Pflicht, es entspricht auch unserer Überzeugung“, so Martin Buhl-Wagner, Geschäftsführer der Leipziger Messe Unternehmensgruppe.

Ein Hinweis an alle Krankenhäuser und medizinischen Einrichtungen, die helfen können und wollen: Aktuell sind gerade chirurgisches Nähmaterial für die Geburtskliniken, Antibiotika, Wasserkanister und Lebensmittel gefragt. Das Sammelzentrum Leipzig Nord ist telefonisch erreichbar unter 0341 121 8030 (wochentags von 8 bis 16 Uhr) sowie per Mail unter Sammelzentrum.Leipzig.Nord.Stadtwerke@L.de. Das Verbindungsbüro befindet sich in einem Bauwagen direkt vor Ort am Standort und ist auch Ansprechpartner für alle Zulieferer und die Logistik ins Krisengebiet.

Ein Hinweis an alle Leipziger, die persönlich spenden wollen: Privatspenden werden in der Sammelstelle Kohlrabizirkus, An den Tierkliniken 42, täglich von 7 bis 17 Uhr (Halle S 3/Südhalle) entgegengenommen.

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